VON PRAG NACH WÜRTTEMBERG
Am 23. Mai 1618 begann der Dreißigjährige Krieg. Bald sollte der Konflikt, der als Auseinandersetzung zwischen den protestantischen Ständen in Böhmen und dem Kaiser begann, ganz Europa betreffen. Das heutige Deutschland war eines der am stärksten zerstörten Gebiete. Von Schwaben im Südwesten bis Pommern im Nordosten zog sich ein Streifen der Verwüstung. Ganze Dörfer waren entvölkert, zahllose Menschen gestorben oder auf der Flucht. Das Herzogtum Württemberg verlor rund die Hälfte seiner Bevölkerung. Auch Kloster Hirsau, damals eine evangelische Klosterschule, war betroffen.
RELIGION UND MACHT
Die protestantische Stände Böhmens stürzten am 23. Mai 1618 – aus Protest gegen die Religionspolitik des katholischen Herrschers – die drei königlichen Statthalter aus dem Fenster des Königspalasts in Prag: Trotz des 17 Meter tiefen Falls überlebten die drei. Der Kaiser erklärte daraufhin den aufrührerischen Protestanten den Krieg. Dieser weitete sich rasch aus. Anfangs war er noch ein Religionskrieg – die protestantischen Böhmen gegen den katholischen Kaiser –, sein Charakter änderte sich jedoch mit den Jahren. Schweden, Frankreich und dem Kaiser ging es um die Vorherrschaft in Europa. Deshalb unterstützte das katholische Frankreich auch bald die protestantischen Schweden gegen den Kaiser.
DER KRIEG KOMMT NACH WÜRTTEMBERG
Lange Zeit blieben große Teile des heutigen Baden-Württembergs vom Dreißigjährigen Krieg verschont. Zwar näherte sich der Krieg; im Herzogtum selbst herrschte jedoch lange Zeit Ruhe. 1629 schien der Friede sogar kurz zum Greifen nahe. Der Kaiser und sein Feldherr Wallenstein hatten große Siege gegen die Protestanten errungen. Auf dem Höhepunkt seiner Macht verfügte Ferdinand II. das sogenannte „Restitutionsedikt“ – ein Affront gegen die Protestanten. Der Kaiser befahl, dass diese nun alle Klostergüter, die nach 1552 von ihnen beschlagnahmt worden waren, an die Katholiken zurückzugeben wären. Württemberg verlor dadurch in etwa die Hälfte seines Gebietes und rund ein Drittel seiner Einwohner: 14 ehemalige Mönchs- und 36 Nonnenklöster wurden wieder katholisch. 1630 gab es einen Wendepunkt: Die protestantischen Schweden traten in den Krieg ein. Bereits ein Jahr später standen die Skandinavier an der Grenze Württembergs.
KLOSTER HIRSAU IM DREISSIGJÄHRIGEN KRIEG
Vom Prager Fenstersturz am 23. Mai 1618 führt eine direkte Linie nach Hirsau und ins benachbarte Calw. 1634 wurde die Stadt von kaiserlichen Truppen besetzt und zerstört. Das Kloster übernahmen katholische Benediktinermönche aus Weingarten. Die evangelische Klosterschule wurde geschlossen. Es folgte ein Hin und Her: Mal war Hirsau katholisch, dann wurde es wieder evangelisch. Das Kloster wurde mehrfach geplündert. Land und Leute litten dabei sowohl unter den protestantischen als auch unter den katholischen Söldnern. Erst 1648 folgte die Entscheidung. Durch den Westfälischen Frieden wurde das Kloster dauerhaft evangelisch. Nach dem Krieg setzte man die Klosterschule in Stand und nach fast 20 Jahren wurde sie wiedereröffnet. Heute ist Kloster Hirsau eine imposante Ruine – doch das sind nicht die Spuren des Dreißigjährigen Kriegs. Das Ende der Klosterschule kam erst 1692: Kirche, Kloster und ein Teil der Wirtschaftsbauten wurden durch französische Truppen im Pfälzischen Erbfolgekrieg zerstört.
INFORMATION
Die Außenanlage der Klosteranlage ist tagsüber frei zugänglich. Das Klostermuseum Hirsau ist zurzeit aufgrund der Corona-Verordnung des Landes Baden-Württemberg geschlossen.