LUTHERS MANN IN SÜDDEUTSCHLAND
Reformator, Berater des Herzogs und Architekt der evangelischen Landeskirche: Johannes Brenz war eine der wichtigsten Personen der württembergischen Geschichte. Er gründete die Klosterschule Hirsau – rund 150 Jahre lang eine der bedeutendsten Bildungseinrichtungen des Herzogtums Württemberg. Am 24. Juni 1499, exakt vor 522 Jahren, wurde Johannes Brenz als Sohn des Beamten Martin Hess, Prentz genannt, in Weil der Stadt geboren. Mit 15 Jahren, einem damals durchaus üblichen Alter, begann er ein Studium an der Universität Heidelberg. Im April 1518, ein halbes Jahr nach Martin Luthers „Thesenanschlag“ in Wittenberg und dem Beginn der Reformation, lernte Brenz den damals schon berühmten Reformator in Heidelberg kennen. Er fing Feuer für die neue reformatorische Lehre. Die revolutionären Ideen des Wittenberger Professors Luther sollten sein weiteres Leben, Denken und Handeln prägen: so sehr, dass Brenz als „Luthers Mann in Süddeutschland“ galt.
BRENZ ALS REFORMATOR
1522 wurde Brenz Prediger in der Reichsstadt Schwäbisch Hall und setzte sich dort erfolgreich für die Reformation ein: 1527 entwarf er eine umfangreiche Kirchenordnung für Schwäbisch Hall. Die Reichsstadt war damit eine der ersten Städte, die ihre religiösen Verhältnisse grundlegend neu regelte. Die Ordnung legte unter anderem fest, wie Taufe und Abendmahl im reformatorischen Sinn verstanden und gehalten werden sollen. Zudem schrieb Brenz einen der wichtigsten Katechismen der Reformationszeit. Ein Katechismus ist ein christliches Lehrbuch, das ganz pädagogisch in Fragen und Antworten angelegt ist. Nicht zuletzt war Brenz der Mitautor des Augsburger Bekenntnisses von 1530, der zentralen und bis heute noch gültigen Glaubensschrift der lutherischen Kirche Deutschlands.
ARCHITEKT DER WÜRTTEMBERGISCHEN LANDESKIRCHE
Durch seine umfangreichen Tätigkeiten hatte Brenz auch Kontakt nach Württemberg. Er wurde allmählich zum wichtigsten theologischen Ratgeber von Herzog Christoph. Er ernannte Brenz 1553 zum Stiftspropst in Stuttgart – das war das wichtigste kirchliche Amt des Herzogtums. Brenz war fortan für die Ordnung und Verwaltung der gesamten württembergischen Kirche zuständig. Durch die „Große Württembergische Kirchenordnung“ von 1559 gab er der Reformation in Württemberg eine feste Form – ein wahrer Meilenstein. Die Große Kirchenordnung klärte die organisatorischen und theologischen Grundfragen im Herzogtum. Die Schrift wurde zum Vorbild für zahlreiche lutherische Kirchenordnungen – sogar über Deutschland hinaus. So orientierte sich die schwedische Kirchenordnung von 1571 am württembergischen Vorbild. Johannes Brenz war da bereits tot: Er starb am 11. September 1570 in Stuttgart. In der Stuttgarter Stiftskirche befindet sich auch sein Epitaph, das Erinnerungsmal an das Grab des Reformators.
DIE ZUKUNFT DER KLÖSTER
Als Stiftspropst war Brenz für die Verwaltung der Klöster zuständig. Der württembergische Staat hatte während der Reformation Besitz von ihnen ergriffen. Was sollte mit den Klöstern geschehen? Durch die Reformation gab es keine Mönche mehr – dieser geistliche Stand war für die evangelischen Christen abgeschafft. Brenz fasste den Plan, dass aus den Klöstern Schulen für die zukünftigen evangelischen Pfarrer werden sollten. Zusammen mit Ambrosius Blarer, einem ehemaligen Mönch aus dem Schwarzwaldkloster Alpirsbach, brachte er im Jahr 1556 diese Neuordnung auf den Weg.
HIRSAU WIRD KLOSTERSCHULE
In Kloster Hirsau und in den anderen Klosterschulen sollten nun „gottsförchtig und glert leutt, so der gemeinen christlichen Kirchen dienstlich und nützlich sein mögen, aufferzogen werden“. Die Schüler wurden ausführlich in der Bibel unterrichtet, damit sie „der kirchen nit allein mit beten …, sonnder auch mit leeren und predigen dienen kündten“. Und die alten, katholischen Mönche? Sofern sie ihr Kloster nicht bereits verlassen hatten, wartete man nun auf ihr „absterben“. In manchen Klöstern gab es daher einen fließenden Übergang zwischen dem alten Klosterleben der Mönche und der evangelischen Klosterschule. In Blaubeuren beispielsweise hörten die Klosterschüler noch einige Jahre die Mönche „uff minchisch prommen“ – auf Mönchisch brummen. Als die Klosterschule in Hirsau eingerichtet wurde, hatte sich der Konvent bereits aufgelöst. Nur noch der Abt Johann Schultheiß lebte dort. Die Einrichtung der Klosterschule im Nagoldtal erlebte er noch für einige Monate mit, ehe er 1556 starb.
DAS ENDE DER KLOSTERSCHULE HIRSAU
Die Klosterschulen wurden eine württembergische Erfolgsgeschichte. Aus ihnen gingen nicht nur große Theologen, sondern auch sprachgewaltige Dichter und bedeutende Denker hervor. Zu den bekanntesten Persönlichkeiten zählen der Astronom Johannes Kepler und der Autor Hermann Hesse. 1594/95 wurden die Klosterschulen reformiert. Zahlreiche Schulen, unter anderem in Murrhardt, Herrenalb und Alpirsbach, wurden geschlossen. Auch Hirsau war betroffen: Doch wenig später, bereits 1599, hatte der Herzog Einsicht und eröffnete die Klosterschule wieder. Das endgültige Ende der Klosterschule kam 1692, als Truppen des französischen Königs Ludwig XIV. im Pfälzischen Erbfolgekrieg das Peter- und Paulskloster zerstörten. Von der mittelalterlichen Bausubstanz hat sich nur die gotische Marienkapelle und der Eulenturm, der nördliche Turm der Peterskirche, vollständig erhalten.
SERVICE UND INFORMATIONEN
Die Außenanlage der Klosteranlage ist tagsüber frei zugänglich. Das Klostermuseum Hirsau ist zurzeit aufgrund der Corona-Verordnung des Landes Baden-Württemberg geschlossen.
WEITERE INFORMATIONEN
Kloster Hirsau
Klosterhof
75365 Calw-Hirsau
+49(0)70 51.16 7-399
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