Gemälde von der Ulme in Kloster Hirsau, Sophie Heck, 1886

Poesie für einen BaumDie Ulme zu Hirsau

Eine rund dreißig Meter hohe Ulme bestimmte über 200 Jahre lang die Kulisse der Schlossruine von Hirsau. Dem heute nicht mehr existierenden Wahrzeichen des Ortes setzte der schwäbische Dichter Ludwig Uhland durch sein Gedicht ein bleibendes literarisches Denkmal.

Bildnis Ludwig Uhland, Lithografie um 1850

Er machte die Ulme durch ein Gedicht berühmt.

Die Natur erobert die Ruine

Der Tübinger Lyriker und Politiker Ludwig Uhland (1787–1862) kannte Hirsau und das Nagoldtal recht gut. Bei einem Besuch der Klosterruine beeindruckte ihn der aus dem Jagdschloss herauswachsende mächtige Baum besonders. Seine Äste erhoben sich weit über den Ostflügel des früheren Schlosses. Dieses Bild inspirierte ihn zu seinem Gedicht „Ulmenbaum“, das er 1829 niederschrieb: über den Baum, der seine Wurzeln im Kloster hat, aber seine Zweige in den Himmel streckt.

Ulmenbaum

Zu Hirsau in den Trümmern,
Da wiegt ein Ulmenbaum
Frischgrünend seine Krone
Hoch überm Giebelsaum.

 

Er wurzelt tief im Grunde
Vom alten Klosterbau,
Er wölbt sich statt des Daches
Hinaus in Himmelsblau.

 

Weil des Gemäuers Enge
Ihm Luft und Sonne nahm,
So trieb's ihn hoch und höher,
Bis er zum Lichte kam.

 

Es ragen die vier Wände,
Als ob sie nur bestimmt,
Den kühnen Wuchs zu schirmen,
Der zu den Wolken klimmt.

 

Wenn dort im grünen Tale
Ich einsam mich erging,
Die Ulme war's, die hehre,
Woran mein Sinnen hing

 

Wenn in dem dumpfen, stummen
Getrümmer ich gelauscht,
Da hat ihr reger Wipfel
Im Windesflug gerauscht.

 

Ich sah ihn oft erglühen
Im ersten Morgenstrahl;
Ich sah ihn noch erleuchtet,
Wann schattig rings das Thal.

 

Zu Wittenberg im Kloster
Wuchs auch ein solcher Strauß
Und brach mit Riesenästen
Zum Klausendach hinaus.

 

O Strahl des Lichts, du dringest
Hinab in jede Gruft!
O Geist der Welt, du ringest
Hinauf in Licht und Luft!

Bildnis Richard Strauss

Richard Strauss vertonte Uhlands Gedicht über die Ulme.

Erinnerung an eine grosse Zeit

Uhlands volksliedhafte Verse über die Ulme, die heute weit verbreitet sind, wurden erstmals im „Morgenblatt für gebildete Stände“ veröffentlicht. Sie trugen dazu bei, Hirsau und sein Kloster im 19. Jahrhundert wieder ins Bewusstsein zu rufen. 1899 wurde das Gedicht von Richard Strauss in seinem Werk op. 43 Nr. 3 für Gesang und Klavier sogar vertont. Text und Musik halten die Erinnerung an die altehrwürdige Ulme wach, die 1989 wegen einer Baumkrankheit gefällt werden musste.

Die Ulme zu HirsauRichard Strauss - Liedduo Levacher Rapoport

Die „Ulme zu Hirsau“ in der musikalischen Fassung von Richard Strauss vorgetragen vom Liedduo Levacher Rapoport. Der Sänger Bastian Levacher und der Pianist Ilja Rapoport bringen das Stück in diesem Video zurück an Originalschauplätze in Kloster Hirsau.

Ruinen von St. Peter und Paul in Kloster Hirsau

Bäume ersetzen heute die einstigen Pfeiler der Klosterkirche St. Peter und Paul.

Mehr erfahren

Persönlichkeiten

Kunstwerke & Räume

Bitte wählen Sie maximal 5 Schlagwörter aus.